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#Liebewenduwillst - Parcours Sexuelle Vielfalt

Idee und Ausbildung von Expert*innen (Peers)

Von Oktober 2021 bis Februar 2022 hat sich eine Gruppe der beruflichen Schulen Kirchhain BSK unter dem Titel: „Leben und leben lassen – lieb doch wen du willst, sei doch wer du willst“ intensiv mit dem Thema sexuelle und geschlechtliche Vielfalt auseinander gesetzt. Die Gruppe setzt sich aus interessierten Jugendlichen zusammen, die es sich zum Ziel gemacht haben, mit sozialen Projekten zu unterschiedlichen Themen Vorurteile und Diskriminierung abzubauen. Das Angebot fand im Rahmen des Projektes JUGEND STÄRKEN im Quartier des Landkreises Marburg-Biedenkopf gemeinsam mit dem bsj Marburg e.V. statt. Die Jugendlichen haben die interaktiven Mitmach-Stationen des bereits bestehenden Konzepts des Polit-Parcours, welcher eine Methode der politischen Bildung ist, mit einer externen Pädagogin vom bsj Marburg e.V., überarbeitete. Hierzu bespielten sie jede einzelne Station und verbesserten sie besonders im Hinblick auf ein jugendgerechtes Format. Gleichzeitig haben sie ihren Wissenstand rund um die Queere Community erweitert und wurden Expert*innen für die Durchführung und Anleitung des Polit-Parcours. Dies konnten sie unter Beweis stellen, indem eine Klasse des achten Jahrgangs eingeladen wurde, den Parcours zu durchlaufen.

Peers stellen ihr Können unter Beweis

Die geschulten Peers haben gemeinsam mit der Schulsozialarbeiterin und der externen Pädagogin zwei Gruppen von jeweils zehn Schüler*innen durch den Parcours geführt. Mit der Durchführung und der Anleitung durch die ausgebildeten Peers hatten die Schüler*innen der achten Klasse ebenfalls die Gelegenheit, sich mit Inhalten rund um die Themen der Queeren Community auseinanderzusetzen. Der Politparcours fand dieses Jahr zum ersten Mal in Kirchhain statt. Zur Freude aller Beteiligten, konnte der Parcours unter Einhaltung der Corona-Maßnahmen als Präsenzveranstaltung stattfinden. Sowohl die Schulsozialarbeit, als auch die Lehrkräfte empfanden das Angebot als besonders wichtig und gelungen.

„Gerade die Stationen mit den Empathiekarten war beeindruckend. Zum einen staunten die Jugendlichen immer wieder, welche Situationen queere Jugendliche erleben, zum anderen machten unterschiedliche kritische Äußerungen deutlich, wie wichtig die Thematisierung sexueller Vielfalt in Hinblick auf Aufklärung und Akzeptanzförderung ist“, kommentierte die Schulsozialarbeiterin.

Der Polit-Parcours

Die eingeladene Schulklasse hatte 3 Stunden Zeit in zwei Gruppen zu diskutieren, spielen oder auch einfach Eindrücke auf sich wirken zu lassen. Die Jugendlichen fanden drei atmosphärisch ausgestattete Räume vor. Mit jeweils einer pädagogischen Fachkraft und einem Peer hatten die Gruppen Zeit sich mit Spielen, Aussagen, Postern und Begriffen auseinanderzusetzen. Das „Casino“ war beispielsweise ein Raum, in dessen Mitte ein Pokertisch aufgebaut war. Hier konnten sich die Schüler*innen mit Spielen, wie dem Vorurteils-Poker und dem Empathie-Roulette, im Abbau von Vorurteilen und im Stärken von Empathie üben. Vor allem Fragen wie „Stell dir vor du bist eine transsexuelle Person und bekommst deswegen keine Ausbildung“, wurden heiß diskutiert. Am Ende des Durchgangs sagte eine Schülerin: „Hier müssten unsere Lehrkräfte und Eltern auch mal teilnehmen.“ Nebenan befand sich „die Galerie“. In einem Raum mit großen Fenstern hingen große Portraits von Menschen, die außerhalb der üblichen Geschlechterrollen posieren. Die Jugendlichen erzählen von Stars, die sich outen und gerade deswegen mehr bewundert werden und von Fernsehserien, in denen viele Menschen außerhalb von Heterosexualität dargestellt werden. Deswegen sei vieles von dem, was auf den Postern zu sehen ist, normal. Eine Aufgabe in dieser Station ist es Hashtags für die Galerie zu finden. Dabei tauchen Formulierungen wie #stärke #liebwenduwillst und #selbstliebe auf. Im nächsten Raum fand sich ein großer Arbeitsplatz. An dem sogenannten Werktisch hatten die Gruppen Gelegenheit, sich mit geschlechtlicher und sexueller Identität auseinander zu setzten und zugeschriebene Geschlechterrollen zu hinterfragen. Außerdem konnten sie mit Hilfe eines „Flaggen-Memorys“ neu erlernte Begriffe festigen. Das Highlight war die Station „Lifestreams“, dass ein neues Projekt des bsj Marburg e.V. ist, welches Jugendliche und junge Erwachsene animiert, mit unterschiedlichen Menschen ins Gespräch zu kommen. Diese Station überraschte somit durch einen homosexuellen Menschen, welcher sich den Kleingruppen als Gesprächspartner zur Verfügung stellte. So wurden die Jugendlichen animiert ins Gespräch zu kommen. Häufig interessierten die Jugendlichen sich für Fragen, wie „Wie bekommt man als homosexuelles Pärchen ein Kind“ und „Was haben deine Eltern gesagt, als du die geoutete hast?“ Die Jugendlichen hatten so die Chance, Geschichten mitten aus dem Leben zu hören und aus Fragen Antworten zu machen. Bei dieser Station wurde sichtbar, wie Jugendliche, die dem Thema vorher noch verschlossen gegenüber standen, sich öffnen konnten, sobald sie eine sympathische Person aus der Queren Community kennenlernten.

Fazit

Die Pädagoginnen fassten das Projekt so zusammen: „Wir konnten mit dem konzipierten Format sowohl erste Berührungspunkte mit dem Thema schaffen, als auch Begriffe festigen und tiefgründiges Diskussionen ermöglicht. Es wurde deutlich sichtbar, dass ein Großteil der Schüler*innen geschlechtliche und sexuelle Vielfalt als normalen Teil ihrer Gesellschaft begreift. Der restliche Teil hatte die Gelegenheit, sich dem Thema langsam anzunähern, und zeigte ebenfalls Interesse an den neuen Inhalten.“ Die jugendlichen Teilnehmenden und Peers konnten somit ihre Meinung teilen und festigen, aber hatten auch die Chance, antidemokratische Einstellungen mit neuen positiven Erfahrungen zum Thema kritisch zu hinterfragen. Die Peers fühlen sich als Expert*innen des Themas und haben einen positiven Bezug dazu gefestigt. Einige Jugendliche aus der teilnehmenden Gruppe besuchen zudem ein Queercafé. Diese hatten durch den Polit-Parcours ebenfalls die Möglichkeit, ihr Wissen und ihre Erfahrungen den anderen zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus waren sie inspiriert, sich ebenfalls Stationen auszudenken und ggf. das Angebot weiterzuentwickeln.

Der Polit-Parcours wurde im Rahmen des Programms „JUGEND STÄRKEN im Quartier“ durch das BundesPinisterium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) und den Europäischen Sozialfonds sowie dem Landkreis Marburg-Biedenkopf gefördert.